Zwanzig. Zwanzig. Zwanzig.
In Worten niederzuschreiben, dass ich im Jahr 2020 20 (in Worten: zwanzig) Kilo abgenommen habe, ist erstaunlich schwer. Man sollte meinen, so eine Leistung trüge man stolz vor sich her und würde pausenlos damit angeben, aber dem ist nicht so. Im Gegenteil, es ist mir unangenehm, darüber zu sprechen, bedeutet es doch, dass ich am Anfang des Jahres 20 Kilo übrig hatte, die ich abnehmen konnte. Weil ich Übergewicht hatte. Ja, ist so. Ich will hier explizit niemanden angreifen, der einen BMI über 25 hat. Wunderbar, wenn sich jemand mit einem Gewicht, das als Übergewicht definiert wird, wohl fühlt und gesund ist. Ich habe mich nicht wohl gefühlt und ich war auch nicht gesund. In den letzten sagen wir mal 15 Jahren habe ich langsam aber stetig diese 20 Kilo zugenommen (sagen wir es, wie es ist: angefuttert), mich irgendwann selbst im Spiegel und auf Fotos nicht mehr erkannt und enorme Komplexe entwickelt. Fotos vermieden, Dates vermieden. Was aber nicht reichte, um endlich mal etwas gegen das Übergewicht zu tun, es bedurfte einer resoluten Hausärztin, die mir klipp und klar sagte, dass mein Blutzucker zu hoch sei und ich entweder abnehmen oder in 6 Monaten Medikamente dagegen nehmen könnte. My choice. Aus irgendeinem Grund war es das, was mich so nachhaltig schockiert hat, dass ich es geschafft habe, meinen Lebensstil zu ändern. Und wie ich den geändert habe, und mit welchem Erfolg. Ich habe selbst nie erwartet, 20 Kilo abzunehmen. Ich hatte keinen Plan, soundsoviel abzunehmen, das einzige Ziel war zunächst, den Gesundheitscheck nach 6 Monaten zu bestehen. Was mir mit Bravour gelungen ist. Und das, ohne eine Diät zu halten - stattdessen mit Sport, einer Kalorien-Zähl-App und verringerten Kohlenhydraten. Der Blutzucker also war im August so, wie er sein sollte. Und nun? 20 Kilo abzunehmen hat überraschende Nebenwirkungen nicht-körperlicher Art. Im Mai, nachdem ich etwas über 10 Kilo abgenommen hatte, bemerkte ein Bekannter "Du bewegst Dich ganz anders. Viel selbstbewusster." Was auch passiert, wenn frau nicht mehr übergewichtig ist, und darüber hinaus mehr oder weniger einem konventionellen Schönheitsideal entspricht: sie wird plötzlich sichtbar. Für Männer, klar, aber auch grundsätzlich. Als Übergewichtige war ich oft unsichtbar. Menschen sehen durch einen hindurch. Jetzt erlebe ich viel mehr Freundlichkeit von Fremden, viel mehr Bereitschaft, mit mir zu reden, Dinge für mich zu tun. Abartig eigentlich. Was auch passiert: man sieht sich selbst noch lange, sehr lange als übergewichtig. Der Spiegel muss lügen, ich bin doch dick. Alle meine Sachen haben sich in Zelte verwandelt? Wie kann das sein, ich bin doch dick. Der neue Wintermantel in Größe S passt perfekt? Wie. Kann. Das. Sein. Meine Aufgabe für 2021: Mich selbst wieder sehen. Als schlanke Frau, die keine Angst haben muss, fotografiert zu werden oder auf ein Date zu gehen. Uff.