Die Einsamkeit der Flugbegleiterin im Lockdown
Oder: Die Regierung, der Feind in deinem Newsfeed.
Ja, mich gibt es noch. Bin umgezogen und sitze jetzt wie angekündigt im Schaumbad meiner Zweiraumwohnung in Pankow und sehe heiß aus. Also nicht jetzt gerade, aber schon sehr oft. Was soll frau auch sonst machen. Keine Dates, kein Schwimmbad, nix.
Der Lockdown im Frühling hat mir nicht viel ausgemacht. Home Office war super, draußen laufen gehen war super, allein sein war eh super. Jetzt? Ich sag's mal so: wenn introvertierte, einzelgängerische Replikantinnen wie ich sich einsam fühlen, dann ist die Lage ernst, sehr ernst. Home Office nervt, draußen ist es kalt und dauerdunkel, und das allein sein - HALLO? HALLOOO? IRGENDJEMAND? REDET MIT MIR! Seit März treffe ich mich privat nur mit einem Bekannten, und so fies das klingt, ich kann ihn nicht mehr ertragen. Ich will endlich mal jemand anders treffen, andere Geschichten hören, und zwar real, nicht nur in irgendwelchen Messenger-Apps.
Am Freitag hatte ich eine massive Migräne-Attacke, die ich nur auf Stress zurückführen kann. Normalerweise bekomme ich Migräne nur im Frühjahr, wenn das Wetter von Winter auf Frühling umschwingt. Freitag war ich gerade auf dem Weg zum Einkaufen, als das Flimmern vor meinem rechten Auge anfing. Als ich bei dm ankam, war die Aura in vollem Gang. Ich habe mich erst mal in die Ecke mit den Babywindeln zurückgezogen, bis ich wieder sehen und denken konnte. Ugh. Am Nachmittag dann krakeelte unser Bundesinnenhorst, dass wir sofort, jetzt, gleich den totalen Lockdown brauchen - und mein migränegequältes Gehirn produzierte traumatische Erinnerungen an die emotionalen Misshandlungen durch meinen Ex vor 10 Jahren. Nochmal: Ugh.
Was unsere Politik mit uns macht, dieser Maßnahmenadventskalender mit täglich neuen Regeln und sadistischen, micro-managenden Gängelungen des Alltags, fühlt sich genau so an wie das Leben mit meinem Ex. Die ständige Angst vor seinen Stimmungsschwankungen, der Versuch, sich an die Regeln zu halten, ihn bloß nicht falsch anzusehen, um keinen Stress zu haben. Der Unterschied ist, dass damals meine Wohnung der Ort war, vor dem ich Angst hatte und den ich versucht habe zu meiden. Jetzt ist meine Wohnung der einzige Ort, an dem ich meine Ruhe vor der Corona-Kakophonie habe. Falls nochmal jemand fragt, warum ich alleine lebe. Tür zu, Corona raus, ins Schaumbad rein. Splish-Splash.